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Bassum? Twistringen? Ristedt!

Sascha Otten hält dem 1. Fußball-Kreisklassisten überraschend die Treue

Der Zeitpunkt schien günstig, das Versprechen einzulösen. Am Rande des Vorbereitungsturniers um den Ristedter Württemberg-Cup hatte Sascha Otten vor Jahren zu Mit-Organisator und Trainer der Ersten Herren, Bernd Schebitz, gesagt, dass er zum Ausklang seiner fußballerischen Laufbahn für den TSV Ristedt auflaufen würde.

In der vergangenen Saison überschlugen sich dann die Ereignisse: Erst musste der 31-Jährige seinen Hut beim Landesligisten TSV Melchiorshausen nehmen, nachdem er Trainer Reiner Klausmann öffentlich kritisiert hatte, dann heuerte Sascha Otten in der Winterpause beim Bezirksligisten TuS Sudweyhe an, ging dort aber freiwillig, ohne eine Minute gespielt zu haben, weil sich die Mannschaft ohne sein Wissen gegen den Coach und Ottens Kumpel Wilco Freund ausgesprochen hatte. Vereinslos, aber noch immer voller Tatendrang erinnerte sich Sascha Otten an jenes Versprechen, das er Bernd Schebitz gegeben hatte – und löste es ein. Allerdings mit der Prämisse, sich nach der Saison wieder einem höherklassigen Verein anzuschließen. Die 1. Kreisklasse schien für den Sohn von Ex-Werder-Profi Jonny Otten auf Dauer doch keine Option zu sein. Zumindest dachte der 31-Jährige dies noch bis vor wenigen Wochen.

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Sascha Otten, hier im Trikot seines Ex-Vereins TSV Melchiorshausen, hat dem TSV Ristedt seine Zusage gegeben und dafür höherklassige Angebote ausgeschlagen.

Die Zeit beim TSV Ristedt ging allerdings nicht spurlos an Sascha Otten vorbei. Denn das, was er in dem Verein erlebt hat, bewirkte bei ihm ein Umdenken – mit der Folge, dass der Neu-Ristedter seine Zusage für die kommende Saison gegeben hat. Dabei brauchte Sascha Otten eigentlich gar nicht lange zu überlegen. „Ich habe mich vom ersten Training an pudelwohl gefühlt, wurde toll aufgenommen, und wir hatten sportlich ja auch Erfolg“, erklärt Otten. Als er zum TSV Ristedt kam, war die Mannschaft noch akut abstiegsgefährdet, mit Otten feierte der 1. Fußball-Kreisklassist in zehn Spielen neun Siege und entledigte sich damit der Abstiegssorgen. „Alles an Sascha festzumachen, wäre sicherlich übertrieben. Fußball ist immer noch ein Mannschaftssport“, sagt Trainer Bernd Schebitz. Aber er gibt gleichermaßen zu, dass sein höherklassig erfahrener Mittelfeldmann dem Team die nötige Stabilität verliehen hat. „Ein Spieler wie er hat uns gefehlt“, so Schebitz. Sascha Otten selbst spricht von „einem gewissen Impuls“, der mit seiner Verpflichtung einhergegangen sei. Und er sei mit einer großen Verantwortung betraut – einer Verantwortung, die gleichzusetzen sei mit der Rolle, die er bei einem anderen Verein gespielt hätte. „Ich hatte ja eigentlich gesagt, dass ich mindestens auf Bezirksliga-Niveau weitermachen wollte. Aber in Ristedt bin ich in gewisser Weise Führungsspieler, und da wird man schon sehr gefordert. Die Mitspieler suchen seinen, da darf man sich nicht so viele Fehler erlauben“, sagt der 31-Jährige.

An höherklassigen Angeboten mangelte es wahrlich nicht. Bezirksligist SC Twistringen hatte bei Sascha Otten angefragt, ebenso Uwe Küpker, der zur kommenden Saison den TSV Bassum übernehmen sollte und den Mittelfeldspieler in die Lindenstadt lotsen wollte. Weitere Interessenten waren Kreisligist und Ottens Ex-Verein TSG Seckenhausen-Fahrenhorst, die Bezirksligisten TV Stuhr und MTV Riede, der Bremer Landesliga-Aufsteiger FC Oberneuland sowie der Bremen-Ligist TSV Grolland. Zumindest waren das die Vereine, die Sascha Otten ad hoc einfielen. „Eigentlich hatte ich meine Entscheidung schon nach dem Kreispokal-Halbfinale gegen den SV Bruchhausen-Vilsen getroffen“, erklärt Sascha Otten. Nur hatte der Verein die Entscheidung nicht öffentlich gemacht, das Werben um Otten wurde deshalb nicht weniger. „Ich habe Bernd gesagt, dass er mal die Zeitung anrufen soll“, so Sascha Otten.

Der Trainer fühlt sich geschmeichelt, dass ein Spieler wie Sascha Otten einem kleinen Verein wie dem TSV Ristedt die Treue hält. „Aber wir haben von Anfang an auf einer Wellenlänge gelegen“, sagt Bernd Schebitz. Sein verlängerter Arm spricht von einem „sehr familiären Klima“. Das habe er von Anfang an kennengelernt, aber noch mehr, als er sich im besagten Kreispokal-Halbfinale schwer im Gesicht verletzte. Sascha Otten prallte so stark mit Vilsens Torwart Dennis Kastendieck zusammen, dass sich Otten das Jochbein, die Augenhöhle und den Oberkiefer brach. Das Ristedter Juwel musste ins Krankenhaus, die Brüche wurden mit diversen Titanplatten gerichtet. „Die Anteilnahme der Mannschaft war unglaublich“, erinnert sich der Mittelfeldmann. Viele Spieler hätten ihn besucht. Hinzu kam, dass all dies kurz vor seiner Hochzeit passierte. Die Mannschaft hat kurzerhand einen Polterabend organisiert, obwohl dieser aufgrund des Unfalls eigentlich abgesagt worden war. „Ich bin erst einen Tag vor meiner Hochzeit aus dem Krankenhaus entlassen worden. Mein Gesicht war noch etwas blau und geschwollen“, so Otten. Ob ihn seine Frau überhaupt noch erkannt hat? „Das hat sie“, sagt Sascha Otten und fügt schmunzelnd hinzu: „Und sie hat sogar Ja gesagt.“ Genau wie Otten zum TSV Ristedt.

 

Artikel: Schott, Dennis: Bassum? Twistringen? Ristedt!, in: Weser-Kurier (2015), Nr. 140
Bild: Udo Meissner